Projekte

Durch direkte und geförderte Projekte ermöglicht das Health Care Lab den Transfer aktueller Forschung in die Praxis. Die Anwendung quantitativer Methoden wie Simulation und mathematischer Optimierung unterstützt Entscheider im Gesundheitswesen bei der Lösung konkreter Problemstellungen.

EVRALOG-BW  (Entwicklung und Validierung von Planungskriterien für rettungsdienstlich relevante Strukturen als Grundlage für eine landeseinheitliche Planungsmethodik im Rettungsdienst in Baden-Württemberg unter besonderer Berücksichtigung logistischer Aspekte)

Projektdauer: 01.06.2021 – 31.05.2025

Projektpartner: Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst in Baden-Württemberg (SQR-BW)

Förderung: Innenministerium des Landes Baden-Württemberg

Ansprechpartner am Health Care Lab: Sven Watzinger (sven.watzinger∂kit.edu)

Veröffentlichungen:

 

Bei außerklinischen Erkrankungen und Verletzungen können sich die Bürger:innen in Baden-Württemberg auf einen funktionierenden Rettungsdienst verlassen. Dieser sieht sich seit mehreren Jahren mit wachsenden Herausforderungen wie steigenden Einsatzzahlen und der Zentralisierung von Klinikstrukturen konfrontiert. Um diese Herausforderungen zu meistern, hat Baden-Württemberg als deutschlandweiter Vorreiter 2011 die Gründung der Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst in Baden-Württemberg (SQR-BW) beschlossen. Die SQR-BW erfasst Einsatzdaten aller 35 Rettungsdienstbereiche in Baden-Württemberg für eine datengetriebene Qualitätssicherung. Diese Arbeit wird durch das gemeinsame Forschungsprojekt EVRALOG-BW weiter ausgebaut werden. Ziel ist die Entwicklung und Untersuchung neuer Planungskriterien zur landeseinheitlichen (Nutzungs-)Planung rettungsdienstlicher Strukturen. Dazu zählen Fragestellungen wie die Positionierung von Rettungswachen oder die Anzahl der benötigten Rettungsmittel. Zur Validierung der Erkenntnisse soll eine Simulation genutzt werden, die eine Abschätzung der Auswirkungen neuer Planungsansätze erlaubt, bevor diese im realen System umgesetzt werden. Für die Parametrisierung der Simulation kann auf die von der SQR-BW erfassten Einsatzdaten zurückgegriffen werden. Mitfinanziert wird das Projekt durch eine Zuwendung des Landes in Höhe von voraussichtlich ca. 220.000 Euro über einen Zeitraum von zwei Jahren (Pressemitteilung). Nach Ablauf der ersten Projektphase wurde EVRALOG-BW um weitere zwei Jahre verlängert (Pressemitteilung). In der zweiten Phase des Projekts liegt der Fokus auf der Dispositionsentscheidung, sowie Fragen der Strukturplanung.

 

SCATTER  (Strategische Patientenverlegung)

Projektdauer: 01.01.2021 – 31.12.2022

Projektpartner: Institut für Rettungs- und Notfallmedizin (IRUN) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein

Förderung: Bundesministerium für Gesundheit

Ansprechpartner am Health Care Lab: David Olave (david.olave∂kit.edu), Sven Watzinger (sven.watzinger∂kit.edu)

 

Die Fachgruppe Intensivmedizin, Infektiologie und Notfallmedizin (Fachgruppe COVRIIN) unterstützt und berät das Robert Koch-Institut bei übergeordneten Fachfragen im Management von COVID-19 Fällen. Zur Arbeit der Fachgruppe zählt auch die Unterstützung von länderübergreifenden COVID-19 Patiententransporten im Fall von regionalen Überlastungssituationen von Krankenhäusern. Ziel des durch das Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projekts SCATTER ist die Entwicklung einer computerbasierten Simulation zur Erstellung von Handlungsempfehlungen und Entscheidungshilfen für solche Transporte. Diese Simulation wird durch das Health Care Lab in Kooperation mit dem Institut für Rettungs- und Notfallmedizin (IRUN) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (Link) entwickelt.

Im ersten Schritt wird durch Workshops und den Austausch mit Prozessexperten ein sogenanntes Konzeptmodell erstellt, welches in grafischer oder textueller Form die Elemente und Prozesse beschreibt, die in der Simulation abgebildet werden sollen. Dieses wird durch den Abgleich mit historischen Transportdaten und den fortgeführten Austausch mit Prozessexperten konkretisiert und in ein parametrisierbares, computerbasiertes Simulationsmodell überführt. Die verfügbaren historischen Transportdaten werden analysiert, aufbereitet und in eine für das Simulationsmodell geeignete Form transformiert, um das Verhalten des Systems in der Simulation abbilden zu können. Nach der Verifizierung und Validierung der Simulation, beispielsweise durch den Abgleich von Simulationsergebnissen mit den historischen Daten, können unterschiedliche Transportstrategien mit der Simulation experimentell untersucht werden. Die Analyse der Simulationsergebnisse erlaubt eine Abschätzung der zu erwartenden Auswirkungen der Transportstrategien. Systemgrenzen und Leistungspotenziale werden weiterführend durch szenarienbasierte Analysen eingehender untersucht. Insbesondere kann hier auf das grenzüberschreitende Leistungspotenzial eingegangen werden. Durch die Implementierung adaptiver Entscheidungssysteme in der Simulation kann eine Kopplung von Strategien und Systemlast modelliert werden.

 

Forschungsprojekt: Taktische Nachfrage- und Kapazitätsplanung für Arztpraxen

Ansprechpartner am Health Care Lab: Anne Zander (anne.zander∂kit.edu)

 

In diesem Forschungsprojekt geht es um einen Abgleich von Angebot und Nachfrage medizinischer Leistung auf taktischer Planungsebene. Hierbei werden insbesondere Arztpraxen betrachtet, welche einen Patient:innenstamm haben, d.h. Praxen mit einem großen Anteil an regelmäßig wiederkehrenden Patient:innen. Im Folgenden werden zwei Modelle näher erläutert.

(1) Steuerung der indirekten Wartezeit:

In diesem Modell steht die indirekte Wartezeit (Wartezeit auf einen Termin) im Mittelpunkt. Es wird ein Warteschlangenmodell vorgeschlagen, welches basierend auf den Terminnachfragen und den Arbeitszeiten der Ärztin oder des Arztes die Verteilung der indirekten Wartezeiten bestimmt. Dabei ist das Modell sehr flexibel und erlaubt unter anderem von der aktuellen indirekten Wartezeit abhängige Parameter, Terminneuplanungen und verschiedene Terminankunfts- und Servicezeitenverteilungen.

Beispielsweise können Arztpraxen ausgehend von einem Servicelevel der indirekten Wartezeit mit Hilfe des Modells bestimmen, wie groß ihr Patient:innenstamm maximal sein sollte oder wie viele Stunden sie pro Tag mindestens arbeiten sollten.

Erste Ergebnisse finden sich hier: Link

 

 

Erwartete indirekte Wartezeit in Tagen abhängig von der Patient:innenstammgröße und der täglichen Terminkapazität für eine warteschlangenlängenabhängige Terminnachfragerate und für verschiedene Neuplanungswahrscheinlichkeiten von nicht-erscheinenden Patient:innen.

 

(2) Patient:innenstamm-Management:

In diesem Modell liegt der Fokus auf dem vorausschauenden Abgleich zwischen Nachfragevolumen und Terminangebot in vorher festgelegten Zeitperioden. Basierend auf historischen Daten wird zunächst bestimmt wie sich das Terminnachfrageverhalten von Patient:innen mit gewissen Eigenschaften (z.B. Alter, Geschlecht) über die Zeit verändert. Dieses Wissen wird dann in einem ganzzahligen linearen Programm dazu verwendet, um über die Aufnahme von neuen Patient:innen in den Patient:innenstamm zu bestimmen. Ziel ist hierbei die Abweichung zwischen Nachfragevolumen und Terminangebot in den betrachteten Zeitperioden zu minimieren. Die besten Resultate ergeben sich bei einer vorausschauenden Planung (Berücksichtigung mehrerer zukünftiger Perioden) in Kombination mit einer detaillierten Klassifizierung von neuen Patient:innen.

Link zum Artikel: Link

 

 

Erwartete Summe der Abweichung von Terminnachfragevolumen und Terminangebot über 10 Jahre hinweg gegeben der Anzahl an Jahren, die in der Optimierung jeweils vorausschauend berücksichtigt werden und der unterschiedlichen Klassifizierungsgrade von Neupatient:innen mit steigender Klassifizierungsgenauigkeit von (E) über (E A) und (E AN).

 

Durchschnittliche Anzahl von Praxisbesuchen abhängig vom Alter der Patient:innen basierend auf historischen Daten einer Hausarztpraxis.

 

 

Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Gesundheitswesens gegen Cyber-Attacken

Ansprechpartner am Health Care Lab: Emilia Grass (emilia.grass∂kit.edu)

 

In den letzten zehn Jahren hat der Einsatz neuer digitaler Technologien im Gesundheitswesen stark zugenommen. Diese Technologien und die damit generierte Fülle an Informationen hat die medizinische Versorgung bereits signifikant verbessert. Krankheiten können genauer und schneller diagnostiziert werden, die Roboterchirurgie ersetzt herkömmliche Verfahren, und Telehealth ermöglicht die Konsultation eines Arztes per Telekommunikation. Allerdings besteht eine der größten Herausforderungen darin, die Sicherheit der Patientenversorgung und deren Daten zu gewährleisten. Zahlreiche Cyberangriffe auf Krankenhäuser und Gesundheitssysteme haben bereits zum Diebstahl von Gesundheitsdaten und zu erheblichen Unterbrechungen der medizinischen Versorgung mit lebensbedrohlichen Folgen geführt. So konnten betroffene Krankenhäuser nicht auf ihre digitalen Systeme zugreifen, was zu einer beträchtlich eingeschränkten Patientenversorgung führte. Das Personal war gezwungen, auf manuelle Prozesse zurückzugreifen, Termine und Operationen zu verschieben oder sogar ganze Abteilungen und Notaufnahmen zu schließen. In diesem Projekt soll es darum gehen, die Resilienz von Gesundheitsdienstleistern im Falle von Cyber-Angriffen zu verbessern und die Patientensicherheit zu gewährleisten.